Etappe 29: Von Herzogenburg nach Atzenbrugg
Der erste Blick aus dem Fenster am Morgen: Es regnet nicht mehr. Ich frühstücke reichlich, dann geht’s los. Tschüss Hotel, ich habe mich erstaunlich wohl gefühlt, trotz Business- und Klassenfahrtsatmosphäre.
Ich komme in die Stadt mit dem klangvollen Namen. Dort steht zwar keine Burg, aber ein Stift. Es war seit 1112 ein Kloster und wurde im Barock prächtig neu gestaltet. Auch in der Stadtmitte verteilen sich barocke Häuser.
Kinder können in der Kutsche vors Rathaus „fahren“.
Ich laufe heute überwiegend auf Landstraßen, da ich so in nur 20 Kilometern am Ziel sein werde, die kürzeste Strecke.
Auch hier war Hochwasser. Die Traisen sieht, wie die meisten anderen Gewässer, nach vier Wochen wieder völlig harmlos aus.
Ob ich auf den kommenden sieben Kilometern noch mehr Barock zu sehen bekomme?
Ein bisschen kann ich sogar Waldbaden, auch wenn die Straße den Wald zerteilt. Ich laufe ohne Pause. Ich vertreibe mir die Zeit mit einem Meter-Runterzähl-Spiel, das ich spontan erfinde. Nach jeweils sechs Pfosten „fresse“ ich 200 Meter. Ich spüre förmlich, wie die Kilometer nach Wohin-auch-immer konstant weniger werden.
Vor lauter Langeweile sehe ich mich auch als weiblichen Müll-Sheriff. Es liegt erstaunlich wenig Müll rum, außer Dosen. Dosen in allen Variationen: zerdrückt, intakte, von Bier, von Red Bull… Dabei dachte ich, dass es in Österreich auch Dosenpfand gäbe. (Okay, nicht wirklich interessant, aber mir vertreiben solche Spiele die Zeit.)
Am Ende der sieben Kilometer sehe ich dann sogar wirklich noch etwas Barock:
Links von mir erstreckt sich bereits wieder das Donautal.
Noch zwei Tage bis Wien.
Ich übernachte heute im Golf-Hotel, ganz feudal, im riesigen Zimmer. Da könnte eine kleine Familie in einer Großstadt wahrscheinlich eine Weile zufrieden leben.
Die Nachbarschaft fällt kaum auf:
Der Preis für meine Herberge ist vermutlich nur deshalb so moderat, weil der Golfplatz wegen Hochwassers geschlossen ist.
Der Nachteil: Das Restaurant ist auch geschlossen, zumindest am Abend. Im zweieinhalb Kilometer entfernten Nachbarort gibt es leider keinerlei Alternativen. Der Kebab-Laden, beispielsweise, hat Dienstags Ruhetag. Ich bin ziemlich verstimmt. Dann mache ich das beste aus der Lage. Ich kaufe Käse, Gebäckstangen und Bier ein. Ich gönne mir einen gemütlichen Abend in meinem riesigen, temporären „Zuhause“.
Dann gönne ich meinen Muskeln auch noch ein heißes Bad. (In meinem geräumigen Nassbereich gibt es natürlich Wanne und Dusche.)
Wenn ich auf den Tag zurück blicke, bin ich zufrieden. 21 Kilometer konnte ich zielsicher und problemlos am Stück laufen. Ich wollte früh im Hotel sein, um genug Zeit für die Essenssuche zu haben, vergeblich. Ich konnte mich trotzdem gut entspannen, denn es war endlich mal wieder Muße am Abend. Soviel Luxus ist ziemlich unpassend für eine Wandersfrau, aber gerade bin ich zu müde um das zu hinterfragen.
Ein wenig sorge ich mich um morgen Abend. Da bahnt sich ein ähnliches (oder noch schlimmeres) Problem an, denn morgen liegt eine Etappe von mindestens 30 Kilometern vor mir. Leider gibt es keine Alternative. Die Essensproblematik wird aber, wie immer sie sich auch darstellen mag, das letzte Mal auftauchen, denn übermorgen komme ich in Wien an. Irre, ich scheine das ja wahrscheinlich wirklich zu schaffen!
Tolles Hotel und tolles Wetter! 🙂