Etappe 22: Von Linz nach Mauthausen
Nachdem ich gestern Nachmittag keine Lust mehr auf Kaffee und Kuchen hatte, wird die Linzertorte heute morgen im Café der k. u. k. Hofbäckerei nachgeholt.
“1656 würde die Linzertorte zum ersten Mal in einem Rezept erwähnt, sie gilt als die älteste der bekannten Routen der Welt. Die kuk Hofbäckerei rühmt sich zweier Tatsachen: Die älteste Bäckerei von Linz zu sein und Linzertorte seit jeher im Sortiment geführt zu haben…“
Als ich auschecke, erkundige ich mich nach dem historischen Hintergrund der merkwürdigen Anlage. „Das Haus ist 500 Jahre alt. Früher war es ein Kloster und seit zweihundert Jahren ist es ein Hotel.“ Ich bin beeindruckt. Aber wie gut, dass ich beispielsweise meinem Bad nichts davon angemerkt habe.
Bevor ich die Stadt verlasse, laufe ich am Kepler-Haus vorbei. Helmut motiviert mich mit seinem Kommentar.


Langsam lasse ich Linz hinter mir, die Stadt wird in meinem Rücken immer kleiner. Links von mir wird ein Jahrmarkt angebaut. Es stimmt mich etwas traurig.

Langsam durchbricht die Sonne den Nebel und löst Glücksgefühle aus.
Auf einer der vielen Tafeln am Wegesrand lese ich den Spruch, der mich durch den Tag begleiten soll:
“ Kein Weg ist zu lange für den, der langsam und ohne Eile vorwärts schreitet; kein lockendes Ziel liegt zu fern für den, der sich mit Geduld rüstet.“ Jean de la Bruyere
(stimmt sicherlich nicht immer😉)

Auf der rechten Seite des Flusses liegt der Hafen von Linz. Er zieht sich scheinbar endlos in die Länge.
Als ich denke, dass nun endlich mal Schluss sein könnte, geht es erst richtig los. Ich laufe unter den Brücken hindurch und finde ein Bänkchen für meine erste Pause. Und lese auf einer Tafel: „Von hier hat man einen beeindruckenden Blick auf die bizarre Industriearchitektur der VOEST-Alpine und des Chemie-Parks. Die VOEST besitzt als größter Arbeitgeber Österreichs besondere Bedeutung für die Wirtschaft der Stadt Linz und Oberösterreichs…“
Ich sitze da und beobachte. Bagger hieven Material in verschiedenen Farben vom Wasser in Lastwagen. Mehrere Güterzüge ziehen von rechts nach links. Rauch und/oder Dampfwolken ziehen nach oben, manchmal sogar rabenschwarz. Ein halber Tanker legt ein mühseliges Wendemanöver hin. Hier wird hart gearbeitet und ich spaziere so einfach nur so der Donau entlang…
Ich komme an mehreren dieser parkenden Riesen vorbei, die für mich überwiegend wie Schrott aussehen.

Dann gibt es urplötzlich wieder liebliche Aulandschaft, als wäre der Industriespuk nie gewesen.
Wie auf Bestellung taucht genau zum richtigen Zeitpunkt einen Cappuccino-Oase auf.
Frisch und munter laufe ich danach weiter auf einen Fußweg entlang des Donau-Altarms. Da erschrecke ich.

Ich informierte die beiden Damen, die hinter mir laufen. „Das ist nur eine Natter. Schlangen kommen hier häufig vor. Da müssens aufpassen, dass Sie nicht auf eine treten.“ „Gibt es hier auch giftige Schlangen?“ „Weiß nicht, glaube aber eigentlich nicht.“ Okay, mein Blick richtet sich von nun an konzentriert auf den Boden, aber ich sehe kein einziges Reptil mehr.
Heute sammle ich Smileys.

Ungefähr fünf Kilometer vor dem Ziel wird es wieder schwierig. „Hier könnens nicht laufen, das ist ein Privatweg. Außerdem ist er überschwemmt!“, sagt eine Frau, die extra wegen mir aus ihrem Haus raus kommt. Dann muss ich halt wohl oder übel den Weg an der Straße durch Gosen nehmen.
Ich sehe die Donausteig-Beschilderung zur Gedenkstätte von Mauthausen. Ich will die grausame Geschichte des größten Konzentrationslagers Österreichs nicht ausblenden, aber der Umweg ist mir zu groß und bis ich da wäre, hätte sie sowieso geschlossen. Die Leichtigkeit meiner Stimmung ist verflogen. Diese Häuserzeile bedrückt mich.
An der Seite lese ich auf einem provisorischen Plakat: „Auf diesen Grund befinden sich bauliche Überreste des Konzentrationslagers Gusen (Zweiglager des KZ Mauthausen)…“
Und angeblich gibt es auch hier eine Gedenkstätte, die aber offensichtlich so schlecht ausgeschildert ist, dass ich sie nicht finde. Aktuell seien wohl noch Anpassungsarbeiten im Gange, was auch immer das heißt.
Im Internet erfahre ich, dass diese Gebäude zum Lager gehörten und nach dem Krieg zu Wohnungen ausgebaut wurden. Der Rest der Anlage wurde weitestgehend zerstört. Somit war sie lange aus der Wahrnehmung verschwunden.
Auf meinem letzten Wegabschnitt gibt es nichts mehr, was mein Interesse fesselt, außer Schloss Pragstein, kurz vor dem Ziel.



In meinem einfachen Gasthof fühle ich mich zwar nicht sonderlich willkommen, aber ich kann dort zu Abend essen und sehe von meinen Fenster aus die Donau.
Die 25 Kilometer waren heute gut zu laufen, nachdem ich gleich zu Beginn mit dem Spruch zur Geduld motiviert wurde. Ich versuchte bewusst immer wieder mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren und das Ziel auszublenden. Der Ruhetag hat mir gut getan.
Ach, so unrecht hat Jean de la Bruyere nicht!
Für eine Wanderin sind Smileys auch eine gute Aufmunterung! Und die Schlangen sicher eine interessante Erfahrung. Man sieht sie ja so selten. Überhaupt ist es so wunderschön, mit Dir entlang der Donau in der herrlichen Natur mitzuwandern. Irgendwann kann ich auch Jörg überreden, das Fahrrad stehen zu lassen und mit Rucksack wochenlang die Welt zu erkunden. 🙂