Nach Mehlem

Meine Route 66: zweiundzwanzigster Tag

Heute habe ich meine letzte Rheinetappe vor mir. Ich bin selbst überrascht, dass ich für den Weg zu meiner Cousine Eli in nur drei Wochen und einem Tag schaffe, was mir noch einen richtigen Motivationsschub für die letzten Kilometer gibt.

Ich freue mich schon darauf noch einmal am Rhein laufen zu dürfen und stelle mich wieder auf eine Industrie- und Wohngebiet Route bis dahin ein. Aber weit gefehlt! Mein Routenplaner sucht mir eine ganz andere Strecke, und ich versäume es mir das dazugehörige Höhenprofil anzuschauen. Daraus ergibt sich Waldbaden vom Feinsten,  aber die Steigerungen fordern mich ziemlich heraus und das ohne Stöcke.

Ich überquere die Ahr und kann es kaum fassen, dass an diesem unscheinbaren Fluss solche Katastrophen geschehen konnten.

Mein Weg führt mich dann durch Bad Bodenhofen und bin entzückt von den vielen kleinen Fachwerkhäusern.

Ich komme auf dem Heimersheimer Pfad an dem Alten Judenfriedhof von Remagen vorbei. Es gibt dort Grabsteine, die bis in die 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts zurück gehen. „Die Beerdigungsstätte entspricht in hervorragender Weise allen Anforderungen…“ lese ich auf einem Schild und erfahre später von einem Hobbyhistoriker, dass es wohl in der Vergangenheit – natürlich vor dem Nationalsozialismus – ein friedliches Zusammenleben zwischen Juden und Katholiken in Remagen gegeben haben muss.
 
Ein bisschen laufe ich auf einem Jakobsweg und dann sehe ich endlich den Rhein. Ich bin kurz vor Remagen.

Dort treffe ich bei der Kirche St. Peter und Paul auf besagten Hobbyhistoriker, der sich Mühe gibt, mich zu überzeugen, dass die Stadt mehr Geschichte zu bieten hat, als die einer tragischen Brücke

.
Er erklärt mir zwei Figuren auf dem Spätromanischen Pfarrhoftor und ihre mögliche vage Deutung als Todsünden auf Seelenfang: die rudernde Frau mit Fisch und Hühnerfüßen sowie der Mann mit Fischschwanz, der bereits vier Fische gefangen hat.
 
Ich laufe noch ein Stück durch die Fußgängerzone, bevor ich wieder an den Rhein gelange.

Ich wandere jetzt fast durchgehend am linken Ufer entlang und bin wieder begeistert von den Flussimpressionen. Während der letzten zweiundzwanzig Tage haben sich die Farben der Natur verändert, der Herbst ist eingekehrt. Die neue Schönheit lässt mich heute etwas gelassener über den Herbst im eigenen Leben nachdenken.

Ich komme gerade noch rechtzeitig zur Kaffeezeit bei Eli in Bonn Mehlem an und es gibt so viel zu erzählen nach der langen  Zeit, die seit unserer letzten Begegnung vergangenen ist. Den Rest des Nachmittags bin ich nur faul und entspanne. Der Tag klingt nach einem liebevoll zubereiteten Abendessen und leckerem Wein dann langsam aus. Wie schön, endlich mal wieder mit meiner Cousine zusammen zu sein!

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Eine Antwort auf Nach Mehlem

  1. Corinna Schaupp sagt:

    Liebe Barbara,
    gespannt habe ich deine Tagesberichte verfolgt und ich bin überrascht, wie es dir gelungen ist, an jedem Tag ein trockenes Bild zu machen.
    Respekt vor den vielen gelaufenen Kilometern.
    Ganz liebe Grüße aus Ottenbach
    Corinna

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